Aktuelle Seitenansicht des vom Abbruch bedrohten Hofhauses aus Radevormwald-Heide

Das Hofhaus aus Radevormwald

als künftiger Begegnungsort für ehrenamtlich engagierte Menschen im LVR-Freilichtmuseum Lindlar

Geschichte und Bedeutung

Das rund 70 Quadratmeter kleine ländliche Gebäude stammt wahrscheinlich noch aus dem 18. Jahrhundert. Auf den ersten Blick wirkt es unscheinbar, wurde aber im Lauf der Zeit immer wieder den wandelnden Bedürfnissen seiner Eigentümer angepasst und vielfach baulich verändert. Nun ist sein baulicher Zustand so schlecht, dass es abgerissen werden soll. Im Jahr 1828 befanden sich an seiner Stelle noch zwei sehr kleine Wohnhäuser, die im Lauf der Zeit zu dem jetzigen Gebäude buchstäblich zusammengewachsen sind. Am Fachwerk des Hauses selbst lässt sich dieser Vorgang gut ablesen, denn es können vier Bauphasen nachgewiesen werden. Insofern präsentiert sich dieses „Kleine-Leute-Haus“ wie ein Kaleidoskop der ländlichen Zeitgeschichte der letzten beiden Jahrhunderte. Vermutlich dienten die beiden ursprünglichen Häuschen zunächst als Altenteil, in denen alte Menschen ihren Lebensabend verbrachten. Im Zeitalter der Industrialisierung und bedingt durch die Nähe zu Lennep und Remscheid, „verschmolzen“ die beiden Häuser dann schließlich zu einem Arbeiterwohnhaus mit Scheunenteil. Insofern sind auch Arbeiter, darunter ein Feilenhauer als Eigentümer und Mieter nachgewiesen. Am Ende des 19.Jahrhunderts stellt „proletarische“ Besitzstand der kleinen Immobilie und die Koexistenz mit den bäuerlichen Grundstücksnachbarn in dem kleinen Dorf Heide eine sozialgeschichtliche Besonderheit im Oberbergischen dar: Mindestens seit 1890 gehört das Häuschen dem Fabrikarbeiter August Brausch, dessen Tätigkeit an anderer Stelle auch als Weber überliefert ist.

Brausch veräußert das Gebäude 1905 samt Umgriff und Hausgarten an den Feilenhauer Rudolf Tacke und seine Frau. Wahrscheinlich infolge der Arbeitsunruhen, die 1910/11 die Feilenindustrie in Radevormwald heimsuchen, muss Tacke sein Haus wohl verkaufen, weil er seine Kredite nicht mehr bedienen kann. So wurde die Firma Gottlieb Frowein und Co im benachbarten Bergerhof, die u.a. Industriemaschinen für die heimische Feilenindustrie produzierte, von Juli 1910 bis Ende Januar 1911 bestreikt (!), mit wohl katastrophalen wirtschaftlichen Konsequenzen für die streikenden Arbeiter. Tackes veräußerten ihr Haus im März 1910 an ihren direkten Nachbarn, den Landwirt Gustav Wilhelm Aldermann, der daraufhin die Arrondierung des Grundstücks mit seiner Hofstelle herbeiführt. Fortan vermieteten Aldermanns das Hofhaus, das noch bis in die 1980er Jahre bewohnt war. Gustav Wilhelm Aldermann hatte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts binnen einer Dekade vom „Hilfsweichenwärter“ der Preußischen Eisenbahn bis zum selbstständigen Landwirt in Heide hochgearbeitet. Das Hofhaus in Radevormwald-Heide ist auch ein typisches Beispiel für die einst im Bergischen zahlreich vorhandenen Kleinhäuser in den Dörfern, die infolge des Realerbteilungsrechts entstanden waren und heute aus dem Landschaftsbild verschwunden sind.

Nutzungsidee

Der Vorstand des Museumsfördervereins und die Museumsleitung planen, das historische Gebäude aus Radevormwald ins Museumsgelände zu versetzen, um es als Begegnungs- und Lernort für die im Museum ehrenamtlich tätigen Menschen herzurichten. Damit soll unter anderem deren außergewöhnliches Engagement gewürdigt werden. Ziel ist es, bessere Rahmenbedingungen für das starke ehrenamtliche Engagement im Museum schaffen, den Engagierten einen Ort des Austauschs, des Kennenlernens und der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben zu bieten – dies auch ganz im Sinne der 2021 veröffentlichten Engagement-Strategie des Landes NRW: „Bürgerschaftliches Engagement wirkt vielfältig in unsere Gesellschaft hinein. Es eröffnet einen Zuwachs an Teilhabe, Wirksamkeitserfahrungen und Kompetenzen.“ Darüber hinaus soll ein Lernort entstehen, an dem – gemäß der Idee des „lebenslangen Lernens“ – u. a. Workshops und Projekte zu vielerlei Themen des Museums (z. B. Bauen, Garten- und Landschaftspflege, Technik etc.) von und für die Vereinsmitglieder entwickelt und durchgeführt werden können. Der Förderverein möchte damit auch explizit ein Angebot für die jüngeren Vereinsmitglieder (und solche, die es noch werden wollen) schaffen und diese motivieren, gemeinsam in generationenübergreifenden Projekten an der Gestaltung und Weiterentwicklung des Museums mitzuwirken. Die Gewinnung junger Menschen würde in besonderem Maße zur Stärkung der ehrenamtlichen Arbeit im Museum beitragen. Im Rahmen der Förderung soll ein detailliertes Nutzungskonzept für das „Haus des Ehrenamts“ erarbeitet und das Gebäude in einem weiteren Schritt ausgestattet werden mit einem Versammlungsraum mit Teeküche und einer modularen Grundausstattung für einen Archiv- und einen Ausstellungsraum. Eine bereits am Standort in der neuen Baugruppe vorhandene Toilettenanlage könnte an das Gebäude angefügt werden.

Die „Freunde und Förderer des Bergischen Freilichtmuseums Lindlar e.V.“ haben im letzten Dezennium in besonderer Weise zur positiven Entwicklung des LVR-Frei-lichtmuseums Lindlar beigetragen. Es ist ein wesentliches Verdienst des Vereines und seiner rund 3.000 Mitglieder (davon 1.600 Beitragszahlende), dass das Freilicht-museum in der Region einen so guten Ruf besitzt. Vor Ausbruch der CV-Pandemie nahmen Jahr für Jahr rund 100.000 Menschen aus nah und fern die Angebote des Museums wahr. Der Förderverein mit seinen rund 3.000 Mitgliedern finanziert in erheblichem Umfang nicht nur Projekte, sondern ein Teil seiner Mitglieder engagiert sich auch im Museum selbst: Bei Veranstaltungen bewirten sie die Gäste, betreiben in eigener Regie die Steinbruchbahn, pflegen Gärten und befassen sich in einem historischen Arbeitskreis mit der Geschichte des musealen Einzugsbereiches.

Kostenvorschlag

Für die Variante 1 liegt die Kostenschätzung eines Planungsbüros in Höhe von rund 350.000,- Euro vor. Darin enthalten sind alle Arbeiten vom Abbau des Gebäudes, seiner Reparatur und Restaurierung und dem Wiederaufbau im Museumsgelände nebst Infrastruktur.